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Ich mag es gerne, wenn die Anderen sich verändern!

Teil 1 der Serie zu "Digitaler Wandel im Einkauf"


Als Menschen lieben wir Gewohntes und haben wir es einmal gefunden, werden Störungen der Behaglichkeit ungern gesehen. Nun ist es so, dass wir natürlich auch im Einkauf große Anforderungen an Innovationsprozesse unserer Partner haben. Einmal intern: neue Produkte sollen unsere Umsätze der Zukunft sichern, einmal extern: Lieferanten sollen sich laufend technologisch und kostenseitig verändern. Aber sind wir auch bereit, die gleiche Flexibilität bei uns selbst einzufordern? Sind die schönsten Veränderungen nicht diejenigen, die wir bei anderen beobachten können?

Im Rahmen der Digitalisierung von Prozessen im Einkauf müssen wir sowohl interne Veränderungen erfolgreich begleiten als auch unsere Lieferanten intensiv auf diese Reise mitnehmen. Welche Themen sind dabei wichtig?

Ein großer und häufiger Fehler ist es, das Verändern der Organisation und damit des Verhaltens der involvierten Personen während oder erst nach der Einführung neuer Systeme und Prozesse zu forcieren. Auf die Folgen habe ich in einem anderen Artikel bereits hingewiesen. Vielmehr ist es essentiell, die Veränderungsfähigkeit bereits vorab als Projektstartvoraussetzung zu hinterfragen: Ist die Organisation wirklich gewillt, alles Notwendige zu tun, um die Resultate des Projektes zu nutzen, und wie wird das sichergestellt?

Der Grund für diese wichtigen Annahmen liegt darin, dass es unbedingt organisationsgerechter Strategien für die Anpassung bedarf. Es ist problematisch, im Nachgang einer Veränderung eine passende Organisation zu definieren. Die Formulierung der neuen Lösung, des neuen IT-Systems, bedarf von Anfang an einen klaren Blick auf die Organisation, um überhaupt zu klären, welche Möglichkeiten geboten sind, diesen Wandel zu vollziehen.


Verfügt denn die Organisation über notwendige Ressourcen, Kompetenzen und die erforderliche Flexibilität? Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die "absorptive capacity" (Cohen & Levinthal, 1990): Was ein Unternehmen oder eine Organisationseinheit heute lernen kann, hängt von gestern erworbenen Wissens- und Kompetenzbeständen ab.

Banal definiert, ist das digitale Change Management die Gestaltung des Weges vom Ausgangspunkt zum Ziel. Der klare Fokus liegt hier nach innen gerichtet auf die Organisation, die sich möglichst in die erwünschte Richtung verändern sollte. Konkret sollen die Organisationsmitglieder diese Veränderung vollziehen!


Hier beginnt auch das Problem: mag die Strategie zum Wandel klar und nachvollziehbar sein, so ist der Wandel (leider) kein mechanisches Stellwerk, sondern die Menschen müssen den Wandel vollziehen, vor dem Hintergrund ihrer sehr individuellen Bedürfnisse, Emotionen, Erfahrungen und weiteren Einflussfaktoren.


Somit bieten sich für das digitale Change Management drei wesentliche Ansatzpunkte (auch in Lauer 2019):

  1. Struktur

  2. Kultur

  3. Individuum


Die Struktur des Unternehmens in Form seiner Aufbau- und Ablauforganisation lässt sich meist rasch verändern, zumindest in Form des Organigramms. Wesentlich schwieriger wird es in die informellen Strukturen vorzudringen, die sich oft elegant der Veränderung entziehen - sie wirken in den sozialen Systemen weiter.

Der Ansatzpunkt über die Unternehmenskultur vollzieht sich ebenso schwierig wenngleich essentiell wichtig, denn sie definiert die informellen Regeln des Umgangs.

Das Individuum ist somit der kleinste Nukleus, der durch seine Mitarbeit den Wandel mitgestalten muss, um ihn in der Organisation tragfähig zu machen. Die große Herausforderung liegt nun darin, nicht nur seine individuellen Fähigkeiten an die neue "Welt" anzupassen, sondern ihn möglichst positiv zu besetzen.


Setzen wir beim Menschen an, so sind uns die Tendenzen zur Entscheidungsverschleppung selbst bekannt. Wir vermeiden kognitive Dissonanz, möchten existierende Denkmuster sehr gerne aufrechterhalten, beginnen dissonante Informationen abzuwerten oder gänzlich zu ignorieren. Weiter kennen wir aus der Verhaltenspsychologie die Tendenz zum "satisficing". Wir sind sehr zufrieden mit guten Zuständen! Da muss es doch kein Optimum geben!

Betrachten wir die anderen beiden Ansatzpunkte, so begegnen uns hochformalisierte Organisationskriterien und zum Teil stark verwurzelte, starre Unternehmenskulturen: leider Hemmnisse, um einen Wandel zu vollziehen!


Einen interessanten Ansatz des Wandels kennen wir von Lewins Feldtheorie (1963) und den 3 Phasen des Wandels. Wandel vollzieht sich in Form von diametral gegenüberstehenden Kräften: driving & restraining forces. Überwiegen dabei dauerhaft die akzelerierenden Kräfte, entsteht kein Gleichgewicht im Unternehmen. Nach Lewin ein Zustand, der die Organisation permanent überfordert und zu Leistungsabfall führt. Betrachten wir die Anfordernisse heutiger Organisationen, so stellen wir fest, dass der permanente Wandel allerdings bereits Realität geworden ist. Das Grundkonzept Lewins: "unfreeze" & "change" & "refreeze", scheint somit durch die innerorganisatorische Klimaerwärmung obsolet; alles schmilzt permanent! Trotzdem lässt sich aus den "unfreeze"-Ansätzen lernen, wie die "driving forces" Überhand gewinnen und einen erfolgreichen Wandel ermöglichen.

David Gleicher (1960) hat es uns zum Glück leicht gemacht und eine Formel für erfolgreichen Wandel definiert:


p (E) = U · V · K > W

p(E) = Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Wandel

U = Unzufriedenheit mit dem Status Quo

V = Klarheit der Vision, auf die der Wandel zielt

K = Klarheit der ersten Schritte zur Umsetzung des Wandels

W = Ausmaß des Widerstands.


Günstiger Ausgangspunkt ist eine hohe Unzufriedenheit mit dem Status Quo. Klarheit über das Ziel und über die ersten Schritte fördern Orientierung. Wesentlich ist der multiplikative Zusammenhang: fehlt eine Motivationsart, fehlt alles.


Sowohl aus Lewins Ansatz als auch aus Gleicher's Konzept lässt sich vieles Ableiten, was für den erfolgreichen digitalen Wandel essentiell ist. Lauer (2019) orientiert sich dabei vor allem an der Schaffung und Aufrechterhaltung der benötigten Motivation zum Wandel mit folgenden Erfolgsfaktorbausteinen:

  1. Orientierung zur Veränderung

  2. Schaffen der Startmotivation

  3. Aufrechterhaltung der Prozessmotivation

  4. Sicherstellen der Zielmotivation

Der Grundimpuls für den digitalen Wandel muss die Wandlungsbereitschaft bei den zentralen Entscheidungsträgern und Beteiligten initiieren. Allerdings führt nur die dauerhafte Aufrechterhaltung - die Prozessmotivation - dazu, dass das Unterfangen gelingt. Hierfür bedarf es eines würdigen Preises, eines erstrebenswerten Zieles, welches am Ende der Reise auf einen wartet. Begleitet werden die Komponenten durch Maßnahmen der Orientierung: einer klaren Strukturierung und einer soliden Informationspolitik zum Wandel.

Erfahren Sie mehr über die Erfolgsfaktoren des digitalen Wandels in den Folgeartikeln zur Serie.



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